Mittwoch, 8. Juni 2011

Der Zigeuner in mir...

Jaja, ich weiß ja, Zigeuner ist politisch total inkorrekt, aber da mein Vater ja irgendwie von diesem Volk abstammt und meiner Mutter darum schn als ich noch kaum laufen konnte, zu mir immer scherzhaft "Zigeuner" sagte, halte ich das nicht für ein Schimpfwort, ganz im Gegenteil, für mich selbst hat dieses Wort etwas zärtliches, liebevolles an sich. Damals bin ich noch einfach nur durch den Wald, die Felder und den Spitzberg rauf und runter "zigeunert" und konnte so meinen sicherlich angeborenen Freiheitsdrang ausleben.

Später im Heim ging das nicht mehr, ich musste mich wenn überhaupt möglich abmelden, wohin ich wollte, und pünktlich zurück sein. Spontan sein und so eine Art kleine Freiheit genießen war da kaum drin. Noch viel später, als ich mit 16 und 17 Jahren in den Sommerferien zumindest 8 Wochen nicht ins Heim musste, weil ich offiziell zu meinem Vater beurlaubt war, konnte ich endlich auch kleine Freiheiten finden und tun, was mein innerer Drang verlangte: ich konnte ohne Beschränkungen irgendwelcher Erzieher durch die Gegen ziehen. Ich war aber trotzdem nicht alleine, denn die so genannten Tramper, die Ende der 70er Jahre durch die DDR diversen Rockbands an den Wochenenden hinterher zogen, waren Leute, die fühlten wie ich, die dachten wie ich und denen ich mich nahe fühlen konnte.
Die meisten trugen Jeans und grüne Parkas aus dem Westen, im Sommer Jesuslatschen und schwarze T-Shirts, die damals bei uns noch Nickis hießen. Wir nannten uns gegenseitig "Kunden" und die spießigen Normalbürger schimpften uns "Assis". Dass wir alle zur Schule oder in die Lehre gingen oder auch schon ausgelernt und die Woche über arbeiteten, war dabei egal. Wir fühlten uns weder assozial noch störten uns die blöden Bemerkungen mancher Anzugträger.
Nerviger war, dass man kaum irgendwo an der Autobahnauffahrt mit dem Daumen im Wind stehen konnte, ohne dass irgendeine Polizeistreife hielt und erst einmal alle Ausweise überprüfte. Und wehe, man hatte keinen dabei, dann konnte es schon mal passieren, dass man erst mal mit aufs nächste Revier genommen wurde. Lag nix gegen den "vorläufig verhafteten" vor, dann durfte der wieder gehen, aber dann war das Konzert, welches man eigentlich besuchen wollte, längst vorbei.
Genau so konnte das den Leuten passieren, die mit dem Zug fahren wollten. Nur, weil man Jeans und grüne Kutte trug wurde man schon mal fix von der Bahnpolizei mit genommen und erst wieder laufen gelassen, wenn der Zug weg war und somit das Konzert nicht mehr pünktlich erreichbar.
Es gab keinen Grund, die Leute mal eben mit zu nehmen, aber solche Schikanen waren wir gewohnt. Natürlich wurde aufgeschrieben, wer wann wo aufgegriffen worden war. Auch mich hats hin und wieder erwischt, aber immer wieder ließ man mich auch nach ein paar Stunden gehen. Allerdings heiße es dann später, als man mich wirklich eingesperrt hat und vor Gericht gestellt in der Anklage: "Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in mehreren Bezirken der DDR". Weil ich in geschenkter Jeans und getauschter grüner Kutte mit dem Zug oder per Anhalter zu Rockkonzerten am Samstag Abend auch schon mal in der Nähe von Zwickau wollte.
Damals durfte die Rockgruppen, die die Musik spielten, die wir hören wollten, nicht in großen Städten auf großen Bühnen auftreten. Mit Glück bekamen sie einen Gig in irgendeinem Dorfgasthof. Diese Termine wurden nirgendwo veröffentlicht, Werbung für diese Veranstaltungen gab es nicht.
Wir Tramper hatten alle unseren Terminkalender in der Tasche, und trafen wir einen anderen Tramper irgendwo auf der Landstraße oder im Zug, dann holten wir als erstes unsere Kalender hervor und tauschten die Termine der kommenden Wochenenden aus. So wusste eigentlich immer jeder, in welchem Dorf man die nächsten Bands hören konnte.
Hatte man mal kein Geld, Schüler und Lehrlinge waren ja immer knapp dabei, dann war das auch nicht schlimm. Der Eintritt von 3 oder 4 Mark war fix im Hut gesammelt, den man vor dem Einlass herum gehen ließ. Kaum einer, der nicht einen Groschen hinein warf. Dafür packte man beim nächsten Mal in den Hut für einen anderen Kunden einen Groschen.
Die Konzerte selbst waren kaum das, was die FDJ empfohlen hätte. Die Bands spielten einfach die Lieder von Queen, Sweet, T.Rex, Davdee, Doozi, Biggy Mick and Titch oder anderen Westbands nach und wir tanzten uns die Seelen aus dem Leib. Uns frei fühlen, unter uns sein, Spaß haben. Das war alles, was wir wollten. Und viele von uns sperrte man irgendwann ein. Eigens dafür hatte die DDR-Führung ja den Paragraphen 249 erfunden. Assoziales Verhalten. Nein, kein Klauen, kein Prügeln, kein Lärmen oder anderes. Nur frei sein wollen für ein paar Stunden und die Musik hören, die wir wollten.
Ich konnte es so lange nicht nach dem Jugendknast. Frei sein. Musik hören. Spaß haben. es hat mir so große Angst gemacht. 10 Jahre schlimme Panikattacken, die mich lähmten und zu hause fest hielten.

Irgendwann fragte ich meinen Sohn, was er da immer für Musik hört mit seinem neuen iPod. Er meinte, Mutter, das ist nix für Dich, vergiss es. Und ich bekam Angst, dass er Musik hört, die verboten ist, obwohl ich genau wusste, dass sowas gar nicht zu ihm passen würde. Nur meine alte Angst eben. Also nervte ich den Sohn, und irgendwann meinte er: O.K. damit Du Ruhe hast, ich mach Dir ne CD. Als ich die Musik hörte dachte ich, die Stimme kennst Du doch, hast Du doch schon mal gehört. Früher, irgendwann einmal, in einem anderen Leben....
Also googelte ich und fand heraus, dass dieser Sänger schon in den letzten Jahren der ehemaligen DDR nur noch instrumental auftreten durfte, weil seine Texte unerwünscht waren. Obwohl er höchst offiziell einen Gesangswettbewerb des DDR-Jugendfernsehens gewonnen hatte. Nun, ich wollte ihn live hören, wollte es versuchen. Ein Konzert...
Mein Sohn, mein Mann und auch ich, wir gingen nicht nur zu einem Konzert, nein, es war ein Festival mit vielen Bands. Und dort traf ich auch nicht nur auf die alte bekannte Stimme, sondern auch auf eine ganz besondere Band, die ich bis heute immer wieder gerne höre. Live und in Konserve, die Jungs gehören mittlerweile zu meinem Alltag. Denn durch diese Lieder, die Texte und die Melodien, habe ich wieder gelernt, Musik zu genießen. Musik gehört nun wieder zu meinem Alltag, ich lerne seit ca 1,5 Jahren Irische Flöte (Tin Whistle) und verpasse nach Möglichkeit kein Konzert dieser und auch anderer Bands in der Nähe.
Und manchmal, ja manchmal kommt der Zigeuner wieder in mir durch. So wie an diesem kommenden Pfingstwochenende. Spontan und ohne Angst vor Polizei oder anderen Repressalien haben wir heute entschieden, übermorgen nach Rastede in Schleswig-Holstein zu fahren. Dort sind auf dem MPS gleich zwei meiner Lieblingsbands und ich freu mich wie verrückt darauf. Wild und frei sein, und das ohne Angst haben zu müssen, wie lange hab ich darauf warten müssen!

Ich wünsche Euch allen genau so tolle Pfingsttage, wie ich sie haben werde!

Montag, 16. Mai 2011

Keine Tante, dafür eine alte Freundin :-)

Bisher bin ich leider nicht weiter gekommen in Sachen Verwandtschaft, irgendwie gibts da ne Menge Sackgassen. Ich hoffe aber, dass es da weiter geht, wenn wir im Juli nach Sachsen fahren für ein paar Tage und Gelegenheit haben. persönlich weiter zu forschen, vor allem im Erzgebirge, dort, wo meine Mama her stammte. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, kennt man ja :-)

Dafür ist etwas anderes, ganz wunderbares passiert: vor einigen Tagen bekam ich einen Anruf und es meldete sich eine längst verschollene und lang gesuchte Freundin. Meine Freundin aus dem Kinderheim in Radebeul, wir haben uns vor ca 38 Jahren aus den Augen verloren. Es ist so bewegend zu erfahren, dass es einen Menschen auf der Welt gibt, der mich, wie sie sagt, über viele Jahre gesucht hat. Ich hab irgendwie nen ganzen Tag lang geheult und fang gleich wieder an, wenn ich nicht aufpasse. Damals wollte mich niemand haben, jeder, der mich kannte, hat mich nicht wieder sehen wollen, seit ich aus Radebeul weg war. Und dort wollte man mich auch nicht mehr haben, wie mir das Jugendamt damals sagte. Dass auch das eine Lüge war, hab ich erst vor einigen Jahren erfahren, denn eine Anfrage seitens des Jugendamtes, ob man mich dort wieder aufnehmen würde, hat es nie gegeben.
Und dass es heute jemanden gibt, der nach so vielen Jahren wissen möchte, wie es mir ergangen ist, wie es mir geht, das bewegt mich schon sehr. Und ich fühle, wie sich wieder ein Knoten in meiner Seele löst. Ich hab immer so große Angst davor, auf Menschen von früher zu treffen, und dann sind alle immer nur furchtbar lieb.
Ja, ich freue mich höllisch, dass sich R. gemeldet hat und wie sich der Kontakt entwickelt, wird die Zukunft zeigen. Dass er mir jetzt schon gut tut, ist aber ohne Zweifel Tatsache :-)

Mittwoch, 20. April 2011

Suche nach der Familie meiner Mutter

So, ganz faul war ich aber in den vergangenen Monaten dann doch nicht. Ich habe es endlich geschafft, mich zu trauen nach den Leuten meiner Mutter zu suchen. Falls es da welche geben sollte. Mir wurde ja immer gesagt, sie wäre ein Waisenkind und Einzelkind gewesen und hätte als ich zur Welt kam außer ihrer Stiefmutter niemanden mehr gehabt. Also im Grund kein Anlass und kein Grund, nach irgendwem zu suchen, zumal die Pflegemutter ja schon lange verstorben ist.
Trotzdem hatte ich immer so ein Knacken im Hinterkopf. Und auch die Frage, was habe ich evtl. von der Seite der Familie meiner Mama, so charakterlich und überhaupt. Dass ich wie sie aussehe kann ich jeden Tag im Spiegel sehen. Und wie die Leute aus der Familie meines Vaters bin ich irgendwie nicht. Und die wollen sowieso nix von mir wissen, bis heute nicht. Mein lieber Herr Onkel hat ein Buch über seine Kindheit geschrieben. In der er nicht einmal einen Bruder hat, den unterschlägt er einfach. Also meinen Vater. So kann man sich den Dingen natürlich auch stellen, man leugnet einfach, was da ist. Egal, ich brauch den Typen nicht, bis heute nicht, und seine verknöcherte kalte Frau schon gar nicht, grusel...
Jedenfalls, ich habs geschafft und das Standesamt im Geburtsort meiner Mama angeschrieben, und nach einiger Zeit sehr überraschende Auskünfte bekommen. Was mich schon wieder fast umgehauen hätte war die Tatsache, dass meine Mutter kein Einzelkind war. Sie hatte eine 10 Jahre ältere Schwester. Ich hab geglaubt, ich seh nicht richtig, aber die beglaubigten Urkunden, die ich bekommen habe, lügen nicht. Außerdem stammen beide Kinder aus der 2. Ehe meines Opas. Die 3. Ehe war dann kinderlos. Aber was mit der 1. Ehefrau ist weiß ich noch nicht, auch nicht, ob es da Kinder gab, also am Ende weitere Halbgeschwister meiner Mutter. Mein Opa (Vater meiner Mama) ist leider im April 1945, kurz vor Kriegsende und einen Tag vor seinem 46. Geburtstag bei Breslau gefallen. Seine Frau, meine Oma, starb auch schon recht früh, nämlich 1935, als meine Mama zwei Jahre alt war. An dieser Stelle verliert sich momentan auch die Spur ihrer älteren Tochter Hanna Paula, der Schwester meiner Mutter.
Ich habe aber Aktenzeichen und Ortsnamen und habe weitere Anfragen in verschiedenen Archiven laufen und hoffe, jemanden zu finden. Ich wage kaum zu hoffen, dass meine Tante noch lebt, sie wäre heute 88 Jahre alt. Es wäre der Hammer! Leute, drückt mir die Daumen.....

Lange Pause

Es sind ja nicht viele Leser hier auf meinem Blog und auf meiner Webseite, aber bei denen möchte ich mich für die lange Pause entschuldigen, die ich mit der kompletten Schreiberei gemacht hab. Hier und an meiner Geschichte. Manchmal braucht es einfach Auszeiten, um den Kopf wieder frei zu kriegen und Kraft zu haben, weiter zu machen.
Ich hab mich sehr über die Echos aus Cotta gefreut, hab ich doch immer wieder Angst, dass andere Menschen die Dinge anders sehen können, weil ihr Erleben der Geschehnisse anders war. Auch wenn ich fast alles, was ich bisher geschrieben habe, mit Akten belegen kann, hab ich doch manchmal Angst, dass die Leute mir nicht glauben. Zu oft hat man mich in meinem Leben Lügen bezichtigt, die keine waren.
Und genau aus diesem Grunde sind mir Reaktionen von Lesern sehr wichtig. Ganz gleich, wie die aussehen, es hilft mir in jedem Fall weiter.
Und ich danke sehr dafür. Ich verspreche, es geht bald weiter, und ich melde mich bei Euch persönlich :-)
Bis dahin allen ein frohes Osterfest und sonnige entspannte Tage!

Dienstag, 9. November 2010

Der 9. November

Fast auf die Stunde genau, da ich das hier schreibe, ist es 21 Jahre her, als ich die sinngemäß bedeutungsvollsten Worte meines Lebens im Fernsehen der DDR hörte: "Ab sofort kann jeder DDR-Bürger ohne große Formalitäten die Grenzen der DDR passieren!" Wir saßen damals jeden Abend zusammen mit anderen Familien bei irgendeinem aus unserem Haus im Wohnzimmer und schauten gespannt die Aktuelle Kamera, damals die Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens. Gleich hinterher um 20.15 Uhr dann noch die Tagesschau auf dem ARD, in Chemnitz hatten wir Westfernsehempfang. Vergleichen war immer gut, wir trauten den Nachrichten des DDR-Fernsehens nicht wirklich. Jahrelang hatte ich diesen Müll nicht angeschaut.
Von klein auf musste ich in den diversen Kinderheimen Abend für Abend sehen und hören, wie schlecht der Westen ist, wie gut der Osten und welche LPG wieder wie viel Ernte eingebracht hat oder in welches 3.Weltland "Schenke-Erich", so nannten wir Erich Honecker damals. Wer es nicht weiß, das war der Staatsratsvorsitzende der DDR. Also das Staatsoberhaupt. Natürlich gewählt. Keine Frage. Allerdings hatte man nur die Wahl, diesen Verbrecher und seine Schergen oder gar niemanden zu wählen. Und weil die Auswahl so groß nicht war, sind wir gar nicht erst zur Wahl gegangen. Denn hätte man gegen die Partei und ihre Führungskräfte gewählt, es wäre ja doch nie gezählt worden. Offiziell waren ja immer so um die 99,8 Prozent der DDR-Bürger für alles, was man ihnen vor die Nase setzte. Geglaubt hats sowieso keiner, noch nicht mal die Staasi- und Parteibonzen selbst. Wir sind jedenfalls nicht hin gegangen, und besser war es, man war an diesen Wahltagen auch gar nicht daheim oder bei Freunden, die selbst auch nicht wählen gingen. Denn dann klingelte alle Stunde ein so genannter Wahlhelfer und wollte einen überzeugen, doch noch zur Wahl zu gehen und sein Kreuzchen an der "richtigen" Stelle zu machen. Ja, so war das, man nannte das dann "Freie Wahlen".
Aber an diesem Abend des 9. November 1989 waren keine Wahlen. Da war alles anders, von diesem Abend an würde es nie wieder so sein, wie es einmal war. Das wussten wir da aber noch nicht. Als Herr Schalk-Golodkowski diese Worte sprach, schaiten wir uns alle, so ca. 15 Leute, gegenseitig an und sagten erst mal gar nichts. Dann fragte ich in den Raum hinein: "Was hat der jetzt gesagt?" Ich konnte das gar nicht begreifen in diesem Moment und die anderen wohl auch nicht. Nur einer stand geistesgegenwärtig auf und schaltete den Fernsehsender um, mal kucken, was der Westen dazu sagt. Und er hatte eine Menge dazu zu sagen: Wir sahen die Menschen in Berlin an den Grenzübergängen stehen und wir sahen kurz darauf, wie die Leute in den Weste gingen, einfach so, ohne dass sie noch jemand aufgehalten hätte. Und wir wären am Liebsten selbst nach Berlin gefahren, auf der Stelle. War aber zu weit, man musste ja am anderen Tag wie immer morgens zur Arbeit. Aber wir haben uns in den Armen gelegen und mit Sekt angestossen, den irgendeiner hervor gezaubert hatte. Nur wussten wir noch nicht, dass wir auf das Ende der DDR tranken. Macht aber nichts, ich tu das jedes Jahr wieder neu. Prost Ihr alle da draußen vor den PC, Prost auf Meinungs- und Redefreiheit, auf Reisefreiheit und auf Gedankenfreiheit, auf die Freiheit, Mensch zu sein und sein zu dürfen, ohne dafür bestraft oder weg gesperrt zu werden. Prost auf alles, was danach kam und noch kommen wird.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Rehabilitaion für Berlin-Rüdersdorf für Rainer :-)

Es geht mir nicht gut derzeit. Nach einer OP hab ich mir eine dusselige Krankenhausinfektion eingefangen, aber so langsam komm ich wieder auf die Beine. Kann ja mal passieren und ist auch nicht so schlimm, zumal die OP ein voller Erfolg war.
Schlimmer ist immer noch die Ablehnung meines Rehabilitationsantrages für das Spezialkinderheim in Moritzburg in den Jahren 1975/76. Nein, es geht nicht um Geld, kann ich nur immer wieder betonen. Ich möchte einfach, dass man begreift und versteht, was für ein Land das war, die DDR. Wie man uns Kindern dort umging. Wobei Moritzburg ja nur eines von vielen Heimen ist, in die Kinder ohne Grund, ohne Gerichtsverfahren, ohne Urteil einfach weg gesperrt wurden. Genau wie Jugendwerkhöfe und Arbeitslager. Und für das Arbeitslager Berlin-Rüdersdorf hat es endlich eine gerechte Entscheidung gegeben, wie ich in diesen Tagen erfahren habe. Rainer M., für mich mittlerweile Unterstützer und auch ein wenig Wegbegleiter, hat gekämpft und die Anerkennung seiner Rehabilitation für die Zeit dort erreicht. Ich wünschte, ich hätte so viel Kraft wie dieser Mann, der sich nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere immer wieder einsetzt.
Ich bitte Euch, die Ihr hier lest, nehmt Euch die Zeit und lest den Beschluss und vor allem die Begründung dafür, damit Ihr versteht, dass dieses Land ein Unrechtsstaat war. Und erzählt es weiter, damit heute niemand denen glaubt, die es anders darstellen wollen.

Link zur Entscheidung des 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin - bitte hier klicken



Danke Euch und eine schöne Zeit!

Sonntag, 3. Oktober 2010

3. Oktober 2010, 20. Geburtstag der Deutschen Einheit

Was bedeutet mir dieser Tag? Dieser Tag vor 20 Jahren, der eigentlich einen viel längeren Zeitraum beinhaltet. Nämlich die Montagsdemos 1989, die "Besetzungen" der verschiedenen Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in den Ostblockstaaten, die vielen Freunde, die schon Jahre vorher viele Repressalien bis hin zum Gefängnis erdulden mussten, bis sie endlich von der BRD frei gekauft wurden und aus der DDR ausreisen durften. Oder noch viel früher der Kreis um Wolf Biermann, der mit einer großen Unterschriftensammlung dagegen protestierte, dass der Liedermacher nach einem Auftritt in Köln nicht mehr zurück nach hause durfte und die dafür nicht nur selbst "Berlinverbot" bekamen sondern zum Teil empfindliche Haftstrafen bekamen. Was wohl aus ihnen allen geworden ist?
Was bedeutet mir dieser 3.Oktober, wofür steht er für mich persönlich?
Dafür, dass niemand mehr Angst haben muss, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden, weil er seinen eigenen Kopf benutzt und das auch äußert. Dafür, dass niemand mehr ins Gefängnis muss oder erschossen wird, weil er einfach nur mal mehr von der Welt sehen will. Dafür, dass ich heute mit entscheiden kann, was in diesem unseren Land passiert.
Und es macht mich wütend wenn ich erleben muss, dass die DDR langsam aber sicher verklärt wird zu einem irgendwie doch romantischen Abenteuer der Alten. Es macht mich wütend wenn Politiker wider besseren Wissens behaupten, die DDR wäre kein Unrechtsstaat gewesen. Und es macht mich wütend wenn ich Menschen schimpfen höre, dass ja heute alles so schlimm wäre.
Letztens lief in TV eine Serie, was wäre, wenn der Mensch von jetzt auf gleich von der Erde verschwinden würde. Mich würde mal wirklich interessieren, was wäre, wenn es diesen Tag vor 20 Jahren und alles, was im Vorfeld damit zu tun hatte, nicht gegeben hätte, was wäre die DDR heute für ein Staat, wie würden die Menschen dort heute leben? Nein, ich möchte mir das wirklich nicht vorstellen müssen, aber ich möchte, dass sie die Menschen, die bis heute glauben, ohne die Einheit wäre alles besser geworden, sich das mal genau vorstellen.
Die Stasi mit den technischen Möglichkeiten von heute: undenkbar!
Die maroden Betriebe ohne Aussicht auf nötige Investitionen weil kein Geld vorhanden, die schon damals halb verfallenen Altstädte ohne Material, zu renovieren oder gar zu sanieren - wie sollte man heute nach 20 Jahren ohne noch mehr Gewalt und Menschenrechtsverletzungen einen Staat am Leben halten? Ein Szenario, welches Dank der vielen vielen Menschen, die sich für Menschenrecht und Freiheit einsetzten, niemals Wirklichkeit wurde.